Die Schwupsgate Affäre
Radebeul im November 2004: Kalt bläst der Windmond seinen Odem durch die Straßen und über die Plätze der Stadt. Als wäre er sich schelmenhaft bewusst, dass er deswegen zu einer klischeehaften Analogie herangezogen wird. Denn wie ein Wirbelwind präsentiert sich auch das neue Logo der Stadt Radebeul und genauso viel Wind wird um es selbst verursacht.
Am 03. November 2004 wurde das Logo erstmals in der Lokalausgabe der SZ online vorgestellt. In einer knapp gehaltenen Meldung wurde der interessierte Leser darüber informiert, dass das neue Logo in Zukunft Schritt für Schritt eingeführt wird und bald vom Briefbogen bis zum Internetauftritt alle Kommunikationsmittel zieren soll. Für Schnäppchenjäger war vielleicht besonders die Mitteilung interessant, dass die Tourist Information zahlreiche Werbemittel “wie Regenschirme, T-Shirts, Kugelschreiber“ mit dem neuen Logo vertreiben wird. In der Öffentlichkeit soll das Logo vor allem durch die neue Beschilderung der Sehenswürdigkeiten auf sich aufmerksam machen. Das Logo als Ergebnis eines neuen Tourismuskonzepts bekam in der gleichen Ausgabe der SZ online noch etwas mehr Raum eingeräumt. In dem Artikel wurde erklärt, dass sich Radebeul seinen Gästen neu präsentieren will und das Logo der Vielfalt ein Dach geben soll. Das kann sie bestimmt gut gebrauchen, gerade nach den Wahlergebnissen der Landtagswahlen. Und so gipfelt der Artikel in der ontologischen Aussage des OB Wendsche: „Wo Stadt drauf steht, ist auch Stadt drin.“
„Ich war zwei Öltanks“ hätte auch nicht gepasst. Dennoch war nicht nur Jubel über die Innovation zu hören: Zwar gab es verhalten positive Reaktionen, die dem Logo bescheinigten, dass es jung sein möchte, doch gab es auch sehr kritische Stimmen. So schrieb ein besorgter Bürger in einem Leserbrief: „Das neue Logo für Radebeul findet unsere Zustimmung nicht. Es besitzt keinerlei Wiedererkennungswert der Stadt. Wäre der Schriftzug "Radebeul" nicht da, es wäre beliebig für jede Stadt einsetzbar. Es ist weder witzig, kreativ noch treffsicher. Was man da an Deutungen hinein interpretiert, kommt uns vor wie Lesen im Kaffeesatz.“
Mit Sicherheit ist z. B. einem Scherenschnitt von Kurt Biedenkopf eher zu bescheinigen, dass sich Radebeul darin wieder erkennt. Die Kritiker des flux „Schwups“ getauften Logos hatten aber auch konkrete Vorschläge, welche Form des Logos besser geeignet wäre: “Eine moderne, abstrahierte Rebe wäre m.E. besser gewesen, denn auf die vom Wein geprägte (und durch die Elbe ermöglichte) Kulturlandschaft gründet sich auch alles Weitere: Kultur, Malerei, Lebensfreude, Zuzug, Tourismus, Feste, Sportveranstaltungen u.v.a.m.“ (Karin F.) Endlich einmal klare Worte! Zuzug findet in Radebeul wegen dem Wein statt - wir haben es ja schon immer geahnt. Wer einmal um 12.00 Uhr mittags betrunkenen Jugendlichen in der S-Bahn von Dresden nach Meißen begegnet ist, wir das auch gerne glauben.
Oberbürgermeister Wendsche hatte also seine liebe Not, den Bürgern seine ästhetischen Präferenzen näher zu bringen. Damit aber nicht genug. Zu allem Überfluss ist der Auftrag zur Gestaltung des neuen Logos auch noch an eine Agentur aus dem Westen gegangen. Als ob es in Radebeul nicht genug Grafiker und Werber von Format gibt, die in unnachahmlicher Weise dem neuen Biedermeier zur vollen Blüte verhelfen könnten. Stattdessen wurde das Logo von einer Agentur aus Kassel entworfen. Kein Wunder also, dass es bei dieser kulturübergreifenden Zusammenarbeit von den ersten Gesprächen bis zur Vollendung des Logos 1 ½ Jahre gedauert hat.
Noch größer wurde der Sturm der Entrüstung, den die Stadträtin Gisela Leuthold am 24.11.2004 mit ihrer Anfrage in der Stadtratssitzung auslöste. Sie wollte wissen, was das Logo gekostet habe und welcher Ausschuss darüber abgestimmt hat. Die kann aber auch Fragen stellen! Wegen der lächerlichen 20.000 Euro, über deren Verfügung Herr Wendsche alleine entschieden hat, muss man doch keinen Aufstand machen – dass es sogar gut war, den Stadtrat nicht in die Auswahl des Logos einzubeziehen, zeigen Äußerungen diverser Stadträte. Der eine befürchtete, dass die Stadt sich mit diesem Gekrakel zum Gespött machen würde, der andere gab zu bedenken, dass das Logo seines Unternehmens von einem „versierten Mitarbeiter“ erstellt wurde und nur 150 Euro gekostet hätte. Wahrscheinlich wäre es auch günstiger, wenn in Zukunft einfach nicht mehr über den Haushalt abgestimmt wird, sondern Bert Wendsche das alleine entscheidet.
10 Monate später hat man die Affäre längst vergessen. OB Wendsche hat Besserung gelobt und wird nun bestimmt den Stadtrat in alle weiteren wichtigen Entscheidungen einbeziehen. Er hat noch mal die Kurve gekriegt. Und die neuen Stelen und Schilder werden auch schon aufgestellt. Eine sehr bodenständige Stadt Radebeul hat sich mit einem modernen Logo arrangiert. Gott sei Dank ist die städtische Internetseite noch immer von Gestern. Wegen der Identität.
Am 03. November 2004 wurde das Logo erstmals in der Lokalausgabe der SZ online vorgestellt. In einer knapp gehaltenen Meldung wurde der interessierte Leser darüber informiert, dass das neue Logo in Zukunft Schritt für Schritt eingeführt wird und bald vom Briefbogen bis zum Internetauftritt alle Kommunikationsmittel zieren soll. Für Schnäppchenjäger war vielleicht besonders die Mitteilung interessant, dass die Tourist Information zahlreiche Werbemittel “wie Regenschirme, T-Shirts, Kugelschreiber“ mit dem neuen Logo vertreiben wird. In der Öffentlichkeit soll das Logo vor allem durch die neue Beschilderung der Sehenswürdigkeiten auf sich aufmerksam machen. Das Logo als Ergebnis eines neuen Tourismuskonzepts bekam in der gleichen Ausgabe der SZ online noch etwas mehr Raum eingeräumt. In dem Artikel wurde erklärt, dass sich Radebeul seinen Gästen neu präsentieren will und das Logo der Vielfalt ein Dach geben soll. Das kann sie bestimmt gut gebrauchen, gerade nach den Wahlergebnissen der Landtagswahlen. Und so gipfelt der Artikel in der ontologischen Aussage des OB Wendsche: „Wo Stadt drauf steht, ist auch Stadt drin.“
„Ich war zwei Öltanks“ hätte auch nicht gepasst. Dennoch war nicht nur Jubel über die Innovation zu hören: Zwar gab es verhalten positive Reaktionen, die dem Logo bescheinigten, dass es jung sein möchte, doch gab es auch sehr kritische Stimmen. So schrieb ein besorgter Bürger in einem Leserbrief: „Das neue Logo für Radebeul findet unsere Zustimmung nicht. Es besitzt keinerlei Wiedererkennungswert der Stadt. Wäre der Schriftzug "Radebeul" nicht da, es wäre beliebig für jede Stadt einsetzbar. Es ist weder witzig, kreativ noch treffsicher. Was man da an Deutungen hinein interpretiert, kommt uns vor wie Lesen im Kaffeesatz.“
Mit Sicherheit ist z. B. einem Scherenschnitt von Kurt Biedenkopf eher zu bescheinigen, dass sich Radebeul darin wieder erkennt. Die Kritiker des flux „Schwups“ getauften Logos hatten aber auch konkrete Vorschläge, welche Form des Logos besser geeignet wäre: “Eine moderne, abstrahierte Rebe wäre m.E. besser gewesen, denn auf die vom Wein geprägte (und durch die Elbe ermöglichte) Kulturlandschaft gründet sich auch alles Weitere: Kultur, Malerei, Lebensfreude, Zuzug, Tourismus, Feste, Sportveranstaltungen u.v.a.m.“ (Karin F.) Endlich einmal klare Worte! Zuzug findet in Radebeul wegen dem Wein statt - wir haben es ja schon immer geahnt. Wer einmal um 12.00 Uhr mittags betrunkenen Jugendlichen in der S-Bahn von Dresden nach Meißen begegnet ist, wir das auch gerne glauben.
Oberbürgermeister Wendsche hatte also seine liebe Not, den Bürgern seine ästhetischen Präferenzen näher zu bringen. Damit aber nicht genug. Zu allem Überfluss ist der Auftrag zur Gestaltung des neuen Logos auch noch an eine Agentur aus dem Westen gegangen. Als ob es in Radebeul nicht genug Grafiker und Werber von Format gibt, die in unnachahmlicher Weise dem neuen Biedermeier zur vollen Blüte verhelfen könnten. Stattdessen wurde das Logo von einer Agentur aus Kassel entworfen. Kein Wunder also, dass es bei dieser kulturübergreifenden Zusammenarbeit von den ersten Gesprächen bis zur Vollendung des Logos 1 ½ Jahre gedauert hat.
Noch größer wurde der Sturm der Entrüstung, den die Stadträtin Gisela Leuthold am 24.11.2004 mit ihrer Anfrage in der Stadtratssitzung auslöste. Sie wollte wissen, was das Logo gekostet habe und welcher Ausschuss darüber abgestimmt hat. Die kann aber auch Fragen stellen! Wegen der lächerlichen 20.000 Euro, über deren Verfügung Herr Wendsche alleine entschieden hat, muss man doch keinen Aufstand machen – dass es sogar gut war, den Stadtrat nicht in die Auswahl des Logos einzubeziehen, zeigen Äußerungen diverser Stadträte. Der eine befürchtete, dass die Stadt sich mit diesem Gekrakel zum Gespött machen würde, der andere gab zu bedenken, dass das Logo seines Unternehmens von einem „versierten Mitarbeiter“ erstellt wurde und nur 150 Euro gekostet hätte. Wahrscheinlich wäre es auch günstiger, wenn in Zukunft einfach nicht mehr über den Haushalt abgestimmt wird, sondern Bert Wendsche das alleine entscheidet.
10 Monate später hat man die Affäre längst vergessen. OB Wendsche hat Besserung gelobt und wird nun bestimmt den Stadtrat in alle weiteren wichtigen Entscheidungen einbeziehen. Er hat noch mal die Kurve gekriegt. Und die neuen Stelen und Schilder werden auch schon aufgestellt. Eine sehr bodenständige Stadt Radebeul hat sich mit einem modernen Logo arrangiert. Gott sei Dank ist die städtische Internetseite noch immer von Gestern. Wegen der Identität.
Thilo Specht - 5. Sep, 19:45
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