Die zur Zeit geführte Debatte über das Erstarken rechtsextremer Kriminalität (
nicht nur Gewalt) kommt spät, ist aber absolut notwendig. Endlich wird das Thema Fremdenfeindlichkeit nicht mehr schamhaft mit einem Mäntelchen aus Beschwichtigungen, Relativierungen und Bagatellisierungen verdeckt. Dass Deutschland in Erwartung der WM 2006 und der damit verbundenen internationalen Aufmerksamkeit durch diese Diskussion einen Image-Schaden erleiden könnte, ist allein die Schuld der ewigen Bagatellisierer. Wäre die Diskussion früher geführt worden, müsste der Slogan "Zu Gast bei Freunden" heute keinen bitteren Beigeschmack haben.
Die Verantwortung der Kommunen
Die
Vorabfassung des Verfassungsschutzberichtes 2005 spricht eine deutliche Sprache: Die Zahl der politisch rechts motivierten Straftaten mit extremistischem Hintergrund stieg um 27,5%, die Zahl der Gewalttaten um 23,5%. Das sind keine Peanuts, sondern negative Trends, denen es zu begegnen gilt. Die Bekämpfung rechtsradikaler Strukturen ist nicht nur die Aufgabe von Bund, Ländern und der Zivilgesellschaft. Auch die Kommunen sind gefragt, besonders, wenn der Tourismus in der Region eine bedeutende Rolle spielt. Wer denkt, die jetzt geführte Diskussion wäre ein PR-Gau, hat noch nicht das
Gästebuch von Pömmelte gelesen. Zur Erinnerung:
Pömmelte war Schauplatz eines Verbrechens mit rechtsradikalem Hintergrund, dessen maßlose Brutalität und Menschenverachtung ungeheure Fassungslosigkeit hervorgerufen haben. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind jedoch keine Randerscheinungen, sondern kommen alltäglich vor, auch in den Amtsstuben der Republik. Die Kommunen stehen also in der Verantwortung und müssen sich fragen lassen, wie sie den menschenverachtenden Rechten begegnen.
Zum Beispiel wird der
Verein RAA - Sachsen e.V., der in Leipzig und Dresden Betroffenen von rechter Gewalt Hilfe anbietet, zwar auf der offiziellen Homepage der Stadt Dresden als Anlaufstelle benannt. Die Finanzierung der fünf hauptamtlichen Mitarbeiter, die in Leipzig und Dresden arbeiten, erfolgt allerdings primär durch die Stadt Leipzig, den Freistaat Sachsen und den Bund. Zum Vergleich:
In Dresden werden neuerdings insgesamt 18 Citystewardessen ("Blaue Engel") beschäftigt, die als Ansprechpartner und Ratgeber für Dresdner und Touristen zur Verfügung stehen sollen. Die Finanzierung erfolgt über den Verein
City Management Dresden e.V., bei dem auch die Stadt Dresden zahlendes Mitglied ist. In einem
Rundschreiben an die Mitglieder schreibt der ehemalige Geschäftsführer des Vereins, Jörg Gillenberg, er hoffe für 2006, "
dass der Stadtrat unserer Bitte um Erhöhung des Mitgliedsbeitrages Folge leistet". Der Verein ist ohne Zweifel eine hervorragende Institution für das Stadtmarketing. Die Stadt Dresden muss sich allerdings die Frage nach der Verhältnismäßigkeit gefallen lassen.
Flagge zeigen
Doch die Kommunen können noch mehr leisten als die finanzielle Unterstützung zivilgesellschaftlicher Projekte. Es gilt gerade in Bezug auf die WM 2006, Flagge zu zeigen und das Motto "Zu Gast bei Freunden" proaktiv nach Außen zu vertreten. Der Co- Vorsitzende der Fraktion der Grünen im Europaparlament,
Daniel Cohn-Bendit, skizzierte dazu in einem
Interview mit Spiegel Online einen Vorschlag:
Drehen wir zur Fußball-Weltmeisterschaft den Spieß um. Rufen wir dazu auf, dass die Menschen aus ihren Fenstern, aus ihren Wohnungen Transparente hängen, die jeden willkommen heißen und deutlich machen: Wir sind für eine bunte Republik. In ganz Deutschland, nicht nur in den Gegenden, in denen es häufiger zu Gewalttaten kommt. Damit würden wir zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen gegen Rassismus ist. Wir müssen die Stimmung umdrehen, wir müssen Licht ins Dunkel bringen.
Dieser Vorschlag ist für die Bewohner der Dresdner Neustadt nichts Neues. Seit über 15 Jahren gibt es das Stadtteilfest "
Bunte Republik Neustadt" schon. Und immer ist dieses Fest für die Neustädter Bürger ein Anlaß gewesen, Flagge zu zeigen und ihre weltoffene und tolerante Haltung unter Beweis zu stellen. Das ist nicht nur gute PR, sondern sieht auch noch hübsch aus.
Die Bereitschaft für eine solche Aktion ist mit Sicherheit bei der Mehrheit der Bundesbürger vorhanden. Es wäre die Aufgabe von Bund, Ländern und besonders den Kommunen, für sie zu werben. Dann wäre der Slogan "Zu Gast bei Freunden" eben nicht mehr nur ein Slogan. Sondern Realität und eine Backpfeife für alle rechtsradikalen und rassistischen Dummköpfe.