Homo politicus dresdensis: Über den Verlust der Maßstäbe
1. Uwe Leichsenring
Gestern war wieder einer jener Tage, an denen die Wut über die bodenlose Dummheit von rund 190.000 Sachsen aufkochte. So viele Menschen ohne jedes Verantwortungsgefühl haben bei den Landtagswahlen 2004 der rechtsextremen NPD ihre Stimme gegeben. Und diese Wähler haben es zu verantworten, dass es gestern im sächsischen Landtag erneut zu einem Eklat gekommen ist, den Uwe Leichsenring von der NPD provoziert hatte. Leichsenring, der in breitestem Sächsisch zu den Landtagsabgeordneten sprach, provozierte unter anderem mit der Aussage, dass Sonderzüge notwendig seien, wolle man alle linksextremen Gewalttäter 'abtransportieren'. Peter Porsch, Fraktionschef der Linkspartei, rief Leichsenring in Anspielung auf die Tötungsindustrie der Nationalsozialisten im dritten Reich zu, dass es in Deutschland schon einmal Sonderzüge gegeben hat. Daraufhin antwortete Leichsenring: "Ja, ja, manchmal wünscht man sie sich wieder, wenn ich manche so sehe." Daraufhin kam es zu tumultartigen Szenen, als sich die Parlamentarier der demokratischen Parteien über diese ekelhafte Antwort empörten. Nach Ansicht der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Antje Hermenau hat „Leichsenring nicht nur seine moralische Verkommenheit und seine widerwärtige Gesinnung unter Beweis gestellt“. Er habe auch gezeigt, dass er nichts weiter ist „als der parlamentarische Laufbursche militanter Neonazis“, unterstrich sie. (Quelle: Lausitzer Rundschau Online) Schon vorher wurde Leichsenring während seines Wortbeitrags mehrmals zur Ordnung gerufen. So hatte er den Deutschen, der in Potsdam brutal zusammengeschlagen wurde, wegen seiner Hautfarbe als 'Neger' bezeichnet. Leichsenrings Brandrede hatte seinen dreitägigen Ausschluss vom Parlament zur Folge, der von Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) verhängt wurde.
190.000 Sachsen haben es zu verantworten, dass in einem deutschen Parlament wieder von Sonderzügen gesprochen wird und Menschen mit dunkler Hautfarbe als 'Neger' bezeichnet werden. Die fadenscheinige Entschuldigung, es würde sich dabei um Protestwähler handeln, ist angesichts der politischen Auswirkungen nur noch als polemisch zu bezeichnen. Diese Menschen sind schuld an diesem zutiefst beschämenden sächsischen Landtag. Es ist nur recht und billig, dass mit dem Finger auf sie gezeigt wird im Jahr 2006, wenn die Welt zu Gast bei Freunden ist.
2. Die anonymen Hinterbänkler
Marko Schiemann von der CDU warf dem NPD-Politiker vor, er wünsche offenbar eine Wiederholung der Verbrechen im Dritten Reich. Manche Parteifreund Schiemanns scheinen jedoch nicht in allen Anliegen der NPD eine andere Meinung zu haben. So kam es seit dem Einzug der NPD in den sächsischen Landtag 2004 schon öfters zu Ungereimtheiten, weil Anträge der NPD mehr Stimmen erhielten, als die Rechtsextremen Abgeordnete haben. Uwe Leichsenring hatte zum Beispiel bei der Wahl des Ministerpräsidenten 14 Stimmen erhalten - 2 Stimmen mehr, als die NPD Abgeordnete hat. Offen sympathisiert bisher niemand mit den selbsterklärt verfassungsfeindlichen Rechtsextremen. Sehr bedenkliche Äußerungen von Mitgliedern der CDU-Landtagsfraktion aus der vorangegangenen Legislaturperiode lassen jedoch erahnen, dass der Übergang vom rechtsextremen Rand des Parlaments zur rechten Konservativen fließend ist, wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg in seinem Beitrag Neonazis im Parlament – wie braun ist die CDU in Dresden? für die Sendung 'Kontraste' entlarvend feststellt. Das spiegelt sich einmal mehr in den seltsamen Thesen, die von der sächsischen CDU unter Federführung des Ex-Ministers Matthias Rößler aufgestellt wurden. Das Papier trägt den Titel Deutscher Patriotismus im vereinigten Europa - Zwölf Thesen zum Zusammenhalt unserer Gemeinschaft. Da heißt es gleich zu Beginn: "Im vereinigten Europa ist die historische und kulturelle Schicksalsgemeinschaft der Nation unverzichtbar." Die Erklärung dafür folgt im Absatz darunter: "Unser deutsches Volk hat Europa und die Welt bereichert wie kaum ein anderes." Das ist an Zynismus kaum noch zu überbieten. Weiter heißt es: "Patriotismus ist die Voraussetzung des Weltbürgertums." Dieses Zitat des Soziologen Ralf Dahrendorf wird in den Thesen der CDU völlig aus seinem Zusammenhang gerissen. Zitat: "Mit dieser Formulierung beschreibt Ralf Dahrendorf etwas, was für die Geistesgrößen der deutschen Klassik und der europäischen Aufklärung selbstverständlich war. [...] Man kann Weltbürger sein, indem man ein guter Europäer, ein deutscher Patriot, ein echter Sachse [...] oder Lausitzer ist. Hier gibt es keine Gegensätze, denn ein europäisches Vaterland oder gar ein Weltstaat bleiben eine Illusion. Weltbürgertum und europäische Einigung setzen die eigene nationale und kulturelle Identität voraus, über die man gerade in der globalisierten Welt verfügen muss."
Selten ist Dahrendorf so falsch verstanden worden. So schreibt er in dem Kommentar Der Nationalstaat erneut unter der Lupe: "Eine Zeit lang hat das Pendel der politischen Meinung vielleicht etwas zu weit in die dem Nationalstaat und seiner Rolle entgegengesetzte Richtung ausgeschlagen. Das ist ein Grund, warum sich so viele Menschen von ihrer politischen Führung entfremdet fühlten. Es wäre allerdings bedauerlich – ja sogar gefährlich – würde das Pendel nun zurück in Richtung des antiquierten Nationalismus schwingen." Doch genau dieser "völkische" Nationalismus wir von der CDU Sachsen mit dem Thesenpapier in populistischer Form eingefordert. Das hat mit einem Verfassungspatriotismus im Sinne von Sternberger bzw. Habermas wenig zu tun. Diese Strömung in der politischen Kultur Sachens ist befremdlich, wird aber kaum beachtet. Zu Unrecht.
3. Hermann Locarek-Junge
Heute war es in Spiegel Online und Stern Online zu lesen, vorgestern schon auf Focus Online und letzten Freitag in den Dresdner Neuesten Nachrichten. Prof. Hermann Locarek-Junge von der TU Dresden hat die Bewerbung um eine Promotionsstelle einer syrischen Studentin scharf zurückgewiesen. Seine Begründung ist abstrus und befremdlich: "Sehr geehrte Frau Ibrahim, angesichts der feindseligen Haltung Ihres Landes gegenüber westlichen Ländern (speziell Israel) und westlichen Institutionen, Terroranschlägen des syrischen Geheimdienstes im Libanon und anderswo und der Unterstützung des internationalen Terrorismus durch Ihr Land lehne ich jegliche Unterstützung syrischer Staatsbürger derzeit strikt ab.
Es ist schade, dass Sie damit unter dieser Politik Ihres Landes leiden, aber Sie speziell - wer sonst - sind aufgefordert, diese meine Kritikpunkte betreffende Situation baldmöglichst zu ändern.
Gruß HLJ [Prof. Dr. Hermann Locarek- Junge]"
Gerade in Deutschland sollte jeder Staatsbürger sensibilisiert sein, was die Kollektivschuld angeht. Dieses Urteil in all seiner Selbstherrlichkeit zeigt jedoch vor allem, dass es hier tatsächlich noch Menschen gibt, die den Leviathan von Thomas Hobbes als Staatenmodell für das 21. Jahrhundert verstehen. In diesem Verständnis und vor dem Hintergrund rassistischer Übergriffe auf Ausländer in Deutschland muss sich Herr Locarek- Junge fragen lassen, ob er sich nichts vorzuwerfen hat. Dieser Mensch unterrichtet junge Studenten und vermittelt ihnen ein Teil seines Weltbildes. Für seine Entgleisung wurde der selbstgerechte Professor lediglich getadelt. Das Sächsische Wissenschaftsministerium hat ein "dienstliches Fehlverhalten" festgestellt. Ein "menschliches Fehlverhalten" ist ihm anscheinend aus der Sicht des Staates Sachsen nicht vorzuwerfen.
4. Dresdens OB Ingolf Roßberg
Ein menschliches Fehlverhalten wird dagegen Dresdens OB Ingolf Roßberg zur Last gelegt. Gestern habe ich es hier schon erwähnt, dass OB Roßberg bis auf weiteres in Urlaub gegangen ist. Ab dem 9. Juni wird wegen des Verdachts auf Vorteilsnahme gegen ihn prozessiert. Roßberg ist der Meinung, der Verzicht auf die Ausführung seines Amtes bis zum Ende des Prozesses könnte den Ruf des Amtes schützen. Egal, ob er schuldig ist oder nicht: Die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn klagt und die Klage vom Landgericht Dresden zugelassen wurde, ist Beschädigung genug.
5. Die Öffentlichkeit
Was bleibt? Die politischen Schlaglichter, welche immer wieder aus der Öffentlichkeit aufblitzen. Sei es der naive Glauben, dass Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit vor allem in der sächsischen Jugend zu finden sind (Meißner diskutieren über Rechtsradikalismus), das zutiefst beschämende Verhalten sächsischer Fußballfans (Widerwärtig und zutiefst beschämend), die befremdlichen Beschreibungen eines Lokalreporters (Herr Redlich und das Andere) oder die unkonsequente Haltung gegenüber den Geschichtsrevisionisten anläßlich des 13. Februar (Nachgereicht: Der 13. Februar 1945/2005): Sie sind Teil der politischen Realität auch im Radebeul, Dresden und dem Elbland.
Summa sumarum ist dieser Artikel ein Wort zum Sonntag. Das ist ungewöhnlich für ein Ferienwohnungs-Weblog. Aber meiner Meinung nach notwendig, wenn dieser Prozess des sozialen und kulturellen Cocoonings nicht einfach ignoriert werden soll. Dresden ist eine wunderschöne Großstadt, welcher der Mief des Provinziellen anhaftet. Weltbürgertum darin zu sehen, ist eine Illusion von Herrn Rößler. Trotzdem glaube ich an die Chancen, die sich einem weltoffenen und liberalen Dresden samt Umland bieten. Wenn die Menschen einmal aus dem Ausland nach Dresden kommen und ihre Semmeln während eines Schwatzes in englischer Sprache mit der freundlichen Bäckerin kaufen können: Dann ist Dresden auf dem Weg zur Weltstadt.
Gestern war wieder einer jener Tage, an denen die Wut über die bodenlose Dummheit von rund 190.000 Sachsen aufkochte. So viele Menschen ohne jedes Verantwortungsgefühl haben bei den Landtagswahlen 2004 der rechtsextremen NPD ihre Stimme gegeben. Und diese Wähler haben es zu verantworten, dass es gestern im sächsischen Landtag erneut zu einem Eklat gekommen ist, den Uwe Leichsenring von der NPD provoziert hatte. Leichsenring, der in breitestem Sächsisch zu den Landtagsabgeordneten sprach, provozierte unter anderem mit der Aussage, dass Sonderzüge notwendig seien, wolle man alle linksextremen Gewalttäter 'abtransportieren'. Peter Porsch, Fraktionschef der Linkspartei, rief Leichsenring in Anspielung auf die Tötungsindustrie der Nationalsozialisten im dritten Reich zu, dass es in Deutschland schon einmal Sonderzüge gegeben hat. Daraufhin antwortete Leichsenring: "Ja, ja, manchmal wünscht man sie sich wieder, wenn ich manche so sehe." Daraufhin kam es zu tumultartigen Szenen, als sich die Parlamentarier der demokratischen Parteien über diese ekelhafte Antwort empörten. Nach Ansicht der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Antje Hermenau hat „Leichsenring nicht nur seine moralische Verkommenheit und seine widerwärtige Gesinnung unter Beweis gestellt“. Er habe auch gezeigt, dass er nichts weiter ist „als der parlamentarische Laufbursche militanter Neonazis“, unterstrich sie. (Quelle: Lausitzer Rundschau Online) Schon vorher wurde Leichsenring während seines Wortbeitrags mehrmals zur Ordnung gerufen. So hatte er den Deutschen, der in Potsdam brutal zusammengeschlagen wurde, wegen seiner Hautfarbe als 'Neger' bezeichnet. Leichsenrings Brandrede hatte seinen dreitägigen Ausschluss vom Parlament zur Folge, der von Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) verhängt wurde.
190.000 Sachsen haben es zu verantworten, dass in einem deutschen Parlament wieder von Sonderzügen gesprochen wird und Menschen mit dunkler Hautfarbe als 'Neger' bezeichnet werden. Die fadenscheinige Entschuldigung, es würde sich dabei um Protestwähler handeln, ist angesichts der politischen Auswirkungen nur noch als polemisch zu bezeichnen. Diese Menschen sind schuld an diesem zutiefst beschämenden sächsischen Landtag. Es ist nur recht und billig, dass mit dem Finger auf sie gezeigt wird im Jahr 2006, wenn die Welt zu Gast bei Freunden ist.
2. Die anonymen Hinterbänkler
Marko Schiemann von der CDU warf dem NPD-Politiker vor, er wünsche offenbar eine Wiederholung der Verbrechen im Dritten Reich. Manche Parteifreund Schiemanns scheinen jedoch nicht in allen Anliegen der NPD eine andere Meinung zu haben. So kam es seit dem Einzug der NPD in den sächsischen Landtag 2004 schon öfters zu Ungereimtheiten, weil Anträge der NPD mehr Stimmen erhielten, als die Rechtsextremen Abgeordnete haben. Uwe Leichsenring hatte zum Beispiel bei der Wahl des Ministerpräsidenten 14 Stimmen erhalten - 2 Stimmen mehr, als die NPD Abgeordnete hat. Offen sympathisiert bisher niemand mit den selbsterklärt verfassungsfeindlichen Rechtsextremen. Sehr bedenkliche Äußerungen von Mitgliedern der CDU-Landtagsfraktion aus der vorangegangenen Legislaturperiode lassen jedoch erahnen, dass der Übergang vom rechtsextremen Rand des Parlaments zur rechten Konservativen fließend ist, wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg in seinem Beitrag Neonazis im Parlament – wie braun ist die CDU in Dresden? für die Sendung 'Kontraste' entlarvend feststellt. Das spiegelt sich einmal mehr in den seltsamen Thesen, die von der sächsischen CDU unter Federführung des Ex-Ministers Matthias Rößler aufgestellt wurden. Das Papier trägt den Titel Deutscher Patriotismus im vereinigten Europa - Zwölf Thesen zum Zusammenhalt unserer Gemeinschaft. Da heißt es gleich zu Beginn: "Im vereinigten Europa ist die historische und kulturelle Schicksalsgemeinschaft der Nation unverzichtbar." Die Erklärung dafür folgt im Absatz darunter: "Unser deutsches Volk hat Europa und die Welt bereichert wie kaum ein anderes." Das ist an Zynismus kaum noch zu überbieten. Weiter heißt es: "Patriotismus ist die Voraussetzung des Weltbürgertums." Dieses Zitat des Soziologen Ralf Dahrendorf wird in den Thesen der CDU völlig aus seinem Zusammenhang gerissen. Zitat: "Mit dieser Formulierung beschreibt Ralf Dahrendorf etwas, was für die Geistesgrößen der deutschen Klassik und der europäischen Aufklärung selbstverständlich war. [...] Man kann Weltbürger sein, indem man ein guter Europäer, ein deutscher Patriot, ein echter Sachse [...] oder Lausitzer ist. Hier gibt es keine Gegensätze, denn ein europäisches Vaterland oder gar ein Weltstaat bleiben eine Illusion. Weltbürgertum und europäische Einigung setzen die eigene nationale und kulturelle Identität voraus, über die man gerade in der globalisierten Welt verfügen muss."
Selten ist Dahrendorf so falsch verstanden worden. So schreibt er in dem Kommentar Der Nationalstaat erneut unter der Lupe: "Eine Zeit lang hat das Pendel der politischen Meinung vielleicht etwas zu weit in die dem Nationalstaat und seiner Rolle entgegengesetzte Richtung ausgeschlagen. Das ist ein Grund, warum sich so viele Menschen von ihrer politischen Führung entfremdet fühlten. Es wäre allerdings bedauerlich – ja sogar gefährlich – würde das Pendel nun zurück in Richtung des antiquierten Nationalismus schwingen." Doch genau dieser "völkische" Nationalismus wir von der CDU Sachsen mit dem Thesenpapier in populistischer Form eingefordert. Das hat mit einem Verfassungspatriotismus im Sinne von Sternberger bzw. Habermas wenig zu tun. Diese Strömung in der politischen Kultur Sachens ist befremdlich, wird aber kaum beachtet. Zu Unrecht.
3. Hermann Locarek-Junge
Heute war es in Spiegel Online und Stern Online zu lesen, vorgestern schon auf Focus Online und letzten Freitag in den Dresdner Neuesten Nachrichten. Prof. Hermann Locarek-Junge von der TU Dresden hat die Bewerbung um eine Promotionsstelle einer syrischen Studentin scharf zurückgewiesen. Seine Begründung ist abstrus und befremdlich: "Sehr geehrte Frau Ibrahim, angesichts der feindseligen Haltung Ihres Landes gegenüber westlichen Ländern (speziell Israel) und westlichen Institutionen, Terroranschlägen des syrischen Geheimdienstes im Libanon und anderswo und der Unterstützung des internationalen Terrorismus durch Ihr Land lehne ich jegliche Unterstützung syrischer Staatsbürger derzeit strikt ab.
Es ist schade, dass Sie damit unter dieser Politik Ihres Landes leiden, aber Sie speziell - wer sonst - sind aufgefordert, diese meine Kritikpunkte betreffende Situation baldmöglichst zu ändern.
Gruß HLJ [Prof. Dr. Hermann Locarek- Junge]"
Gerade in Deutschland sollte jeder Staatsbürger sensibilisiert sein, was die Kollektivschuld angeht. Dieses Urteil in all seiner Selbstherrlichkeit zeigt jedoch vor allem, dass es hier tatsächlich noch Menschen gibt, die den Leviathan von Thomas Hobbes als Staatenmodell für das 21. Jahrhundert verstehen. In diesem Verständnis und vor dem Hintergrund rassistischer Übergriffe auf Ausländer in Deutschland muss sich Herr Locarek- Junge fragen lassen, ob er sich nichts vorzuwerfen hat. Dieser Mensch unterrichtet junge Studenten und vermittelt ihnen ein Teil seines Weltbildes. Für seine Entgleisung wurde der selbstgerechte Professor lediglich getadelt. Das Sächsische Wissenschaftsministerium hat ein "dienstliches Fehlverhalten" festgestellt. Ein "menschliches Fehlverhalten" ist ihm anscheinend aus der Sicht des Staates Sachsen nicht vorzuwerfen.
4. Dresdens OB Ingolf Roßberg
Ein menschliches Fehlverhalten wird dagegen Dresdens OB Ingolf Roßberg zur Last gelegt. Gestern habe ich es hier schon erwähnt, dass OB Roßberg bis auf weiteres in Urlaub gegangen ist. Ab dem 9. Juni wird wegen des Verdachts auf Vorteilsnahme gegen ihn prozessiert. Roßberg ist der Meinung, der Verzicht auf die Ausführung seines Amtes bis zum Ende des Prozesses könnte den Ruf des Amtes schützen. Egal, ob er schuldig ist oder nicht: Die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn klagt und die Klage vom Landgericht Dresden zugelassen wurde, ist Beschädigung genug.
5. Die Öffentlichkeit
Was bleibt? Die politischen Schlaglichter, welche immer wieder aus der Öffentlichkeit aufblitzen. Sei es der naive Glauben, dass Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit vor allem in der sächsischen Jugend zu finden sind (Meißner diskutieren über Rechtsradikalismus), das zutiefst beschämende Verhalten sächsischer Fußballfans (Widerwärtig und zutiefst beschämend), die befremdlichen Beschreibungen eines Lokalreporters (Herr Redlich und das Andere) oder die unkonsequente Haltung gegenüber den Geschichtsrevisionisten anläßlich des 13. Februar (Nachgereicht: Der 13. Februar 1945/2005): Sie sind Teil der politischen Realität auch im Radebeul, Dresden und dem Elbland.
Summa sumarum ist dieser Artikel ein Wort zum Sonntag. Das ist ungewöhnlich für ein Ferienwohnungs-Weblog. Aber meiner Meinung nach notwendig, wenn dieser Prozess des sozialen und kulturellen Cocoonings nicht einfach ignoriert werden soll. Dresden ist eine wunderschöne Großstadt, welcher der Mief des Provinziellen anhaftet. Weltbürgertum darin zu sehen, ist eine Illusion von Herrn Rößler. Trotzdem glaube ich an die Chancen, die sich einem weltoffenen und liberalen Dresden samt Umland bieten. Wenn die Menschen einmal aus dem Ausland nach Dresden kommen und ihre Semmeln während eines Schwatzes in englischer Sprache mit der freundlichen Bäckerin kaufen können: Dann ist Dresden auf dem Weg zur Weltstadt.
Thilo Specht - 12. Mai, 11:13
Der Patridiotismus ist am Ende
Ich wähle für die Leitkultur. Retten wir sie und wickeln wir den Nationalstaat ab, wie wir es mit der DDR gemacht haben.
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